
Swipe, like, love - eine Buchempfehlung
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Swipe, like, love – Wenn Intimität zum Wischen wird
Mal ehrlich: Wie oft hast du schon nach links gewischt, weil das Foto irgendwie... komisch war? Oder nach rechts, ohne den Profiltext gelesen zu haben? Willkommen im Zeitalter der parasozialen Annäherung – so nennt Johanna L. Degen das Phänomen, das uns alle irgendwie betrifft, wenn wir auf Tinder, Bumble & Co. unterwegs sind. In ihrem Buch Swipe, like, love schaut sie sich ganz genau an, was das ständige Swipen mit uns macht – psychologisch, gesellschaftlich und auch ganz persönlich.
Begegnung im Zeitalter der Apps
Früher traf man potenzielle Partner*innen über den Freundeskreis, auf der Arbeit oder vielleicht in der Bar. Heute? Scrollen, Swipen, Chatten. Degen beschreibt, wie sich Dating von einer aufgeladenen, fast theatralischen Erfahrung (man denke an das erste Date im schicken Restaurant) zu einer „Try-on“-Logik gewandelt hat: ausprobieren, checken, weitermachen. Wenn das Date nichts war – immerhin hat man noch den Einkauf erledigt. Kein Scherz: Dating im Einrichtungshaus ist ein Ding.
Ghosting, Glorifizierung, Gleichgültigkeit
Die Autorin zeigt: Unsere Datingpraxis hat sich rationalisiert. Wir investieren nicht in Menschen, sondern in Apps – sogar wortwörtlich, denn viele zahlen für Likes, Sichtbarkeit oder Premiumfunktionen. Doch was auf den ersten Blick effizient erscheint, ist für viele auf Dauer frustrierend: Ghosting ist Standard, Matches sammeln ersetzt echte Begegnung, und obwohl wir nach Nähe suchen, entsteht immer mehr Distanz.
Degen nennt das eine „parasoziale Beziehung“ – eine Bindung zu jemandem, der gar nicht wirklich anwesend ist. Wir erleben Nähe im Chat, obwohl keine Beziehung im klassischen Sinn besteht. Und wenn der Kontakt abbricht? Kein Feedback, keine Erklärung – nur das leise Gefühl, wieder einmal aussortiert worden zu sein.
Warum wir trotzdem bleiben
Und trotzdem: Die Apps haben auch ihre guten Seiten. Wer wenig Zeit hat, sich nicht traut, Menschen im echten Leben anzusprechen oder nach einer Trennung langsam wieder ins Leben zurückfinden will, findet hier einen sicheren, niederschwelligen Raum. Besonders queere Menschen oder solche mit speziellen Bedürfnissen profitieren von der digitalen Freiheit, sich auszuprobieren, ohne sich gleich „outen“ oder erklären zu müssen.
Zwischen Hoffnung und Ernüchterung
Was bleibt, ist ein Spannungsfeld: Zwischen dem Wunsch, gesehen und geliebt zu werden, und der Erfahrung, in der Masse unterzugehen. Zwischen Selbstoptimierung und Selbstzweifel. Zwischen Matches, die nie geschrieben werden, und Dates, die sich wie Bewerbungsgespräche anfühlen.
Degens Buch ist keine Abrechnung, sondern ein kluger, feinfühliger Blick auf eine Welt, in der Beziehungen auf Bildschirmen beginnen – und oft auch enden. Es ist ein Plädoyer dafür, den eigenen Umgang mit Apps zu reflektieren, ohne moralischen Zeigefinger, aber mit jeder Menge Aha-Momente.
Fazit: Swipe, like, love ist Pflichtlektüre für alle, die daten – oder es irgendwann mal wieder wollen. Denn es zeigt, dass hinter jedem Wisch eine echte Sehnsucht steckt. Und vielleicht auch die Chance auf echte Nähe.
Das Buch findest du überall wo es Bücher gibt und bei Amazon.
Mehr zu Johanna und Ihrer Arbeit findest du in ihrem Instagram-Account